Der unvernünftige Kunde

Der Geschäftsführer eines Unternehmens aus der Möbelzulieferindustrie hatte einen klasse Buchtipp für mich und so habe ich in den Pfingstferien auf Kos das Buch „Der unvernünftige Kunde: Mit Behavioural Economics irrationale Entscheidungen verstehen und beeinflussen“ von Florian Bauer und Hardy Koth gelesen. Im Kern geht es um eine entscheidende Frage: Gibt es den rational entscheidenden Kunden? Die Antwort ist kurz und klar: NEIN, es gibt ihn nicht und es gibt ihn auch nicht in unserem so nüchternen B2B Umfeld! 3 Beispiele sowie die 5 Entscheidertypen aus dem Buch haben es mir besonders angetan und ich möchte diese gerne mit Ihnen teilen.

 

Beispiel 1: Kein Nachlass führt zu mehr Absatz und Marktanteil

Auf die Krisenzeit 2008/2009 haben in den USA so gut wie alle Automobilhersteller mit einem klassischen Instrument reagiert, um die Absatzzahlen und Umsätze irgendwie zu retten: sie haben hohe Rabatte gewährt. Aber trotz der Rabattschlachten, haben die Kunden wesentlich weniger Neufahrzeuge gekauft. Das Resultat: weniger Absatz, teilweise 50% weniger Umsatz und deutlich weniger Gewinn! Anders hingegen Hyundai, die ihre Umsätze um 9% steigern konnte. Das Geheimnis von Hyundai: Sie haben das wahre Bedürfnis der Kunden verstanden und ihnen angeboten, dass Kredit-/Leasingraten ausgesetzt werden, wenn diese arbeitslos werden würden. Sollten die Kunden länger arbeitslos sein, könnten sie sogar den Kauf wieder komplett rückgängig machen. Damit hatte Hyundai den wirklichen Trigger gefunden: Sicherheit! Das Budget war da, aber alle Kunden hatten Angst es in der unsicheren Wirtschaftslage in ein Auto zu investieren.

Wie häufig reagieren wir im B2B mit Nachlässen, weil wir die wirklichen Motive unserer Kunden nicht kennen? Wenn wir ehrlich sind: Sehr häufig, zu häufig!

 

Beispiel 2: Preisstruktur und Referenzrahmen

Dieses Beispiel kannte ich schon von meinem geschätzten Kollegen Dirk Kreuter (siehe Blogbeitrag). Im Zeitschriften Abo-Bereich bieten Sie drei Pakete an:

  1. E-Paper: 59 Dollar
  2. Die gedruckte Ausgabe: 125 Dollar
  3. Kombi-Angebot für E-Paper und Print-Ausgabe: 125 Dollar.

84% der Kunden entscheiden sich für das Kombipaket. Ist ja klar, da es sich um ein vermeintliches Schnäppchen handelt! KEINER nimmt die reine, gedruckte Variante. Also könnten wir dieses Produkt auch streichen, oder? Wenn Sie das tun, kaufen plötzlich 68% der Kunden die E-Paper Variante!

Preisrahmen und Anker beeinflussen unsere Kaufentscheidung! Wie sieht es aber in Ihren Angeboten oder gar bei der Einführung von neuen Produkten / Dienstleistungen aus? Geben Sie dem Kunden wirklich einen Anker mit, in dem Sie z.B. 3 Varianten anbieten? Ich tue es ehrlich gesagt zu wenig!

 

Beispiel 3: Wir denken in Prozenten

Stellen Sie sich vor, Sie sind im Mediamarkt und wollen dort etwas kaufen, was 25€ kosten soll. Jetzt erfahren Sie, dass das identische Produkt 5km weiter in einem anderen Geschäft nur 20€ kostet. Was machen die meisten, deutschen Schnäppchenjäger? Sie fahren sofort die 5km und sparen vermeintlich 5€. Nehmen wir jetzt aber einmal an, Sie wollen etwas für 10.000€ kaufen und wieder ist es 5€ günstiger zu haben, wenn Sie 5km fahren würden. Was machen Sie jetzt? Der Wert der 5€ hat sich nicht geändert! Entweder 5€ sind es Wert, dafür 5km zu fahren, oder nicht! Was machen wir aber? Bei dem 10.000€ Kauf spielen für uns die 5€ plötzlich eine sehr geringe Rolle. Grund: Wir bewerten Dinge nicht absolut, sondern relativ in Prozenten! Das sehen Sie in jeder Preisverhandlung mit den lieben Einkäufern und das ist auch der Grund warum es so viele Mond-Listenpreise gibt!

Wie nutzen Sie die Stärke der Prozente in Angeboten heute?

 

Im Buch finden Sie noch viele weitere Beispiele, die einem viele Entscheidungen klarer werden lassen. Wenn es also keinen Homo oeconomicus gibt, wie können wir dann Kunden gruppieren / klassifizieren? Die Autoren nutzen dazu die „Behavioural Economics“ und präsentieren 5 verschiedene Typen von Kunden / Entscheidern:

  1. Schnäppchenjäger
    Hat Spaß am Suchen und Vergleichen und liebt Rabatte und Zugaben.
  2. Preisbereite
    Lässt sich von den Produkten begeistern und gibt oft mehr aus als ursprünglich geplant.
  3. Verlustaversive
    Vorsichtiger Kunde, der Angst hat, übervorteilt zu werden.
  4. Gewohnheitskäufer
    Treuer Kunde mit viel Vertrauen in Marke und Produkt.
  5. Gleichgültige
    Produkt- und Preisvergleiche interessieren ihn nicht (Low-Involvement-Kunde).

 

Auf der Seite https://www.vocatus.de/de/leistungen/strategie/grips finden Sie eine sehr gute Beschreibung dieser Typen.

Wie sieht es mit Ihren Kunden aus? Könnten Sie Ihre Kunden für verschiedene Produkte / Dienstleistungen in eine dieser 5 Typen klassifizieren? Wenn ja, wie werden Sie die besonderen Bedürfnisse dieser Kunden dann zukünftig gezielter adressieren? Denn auch im B2B Umfeld werden Entscheidungen am Ende von Menschen getroffen und umso besser wir die Bedürfnisse dieser Menschen bedienen können, umso erfolgreicher werden wir.

 

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